von Oliver Flanz

Reaktion zur Missbrauchsstudie

Reaktionen auf die EKD-Missbrauchsstudie

Oliver & Julia Flanz - Pastoren unserer Kirchengemeinde:

„Die Verbrechen, die begangen wurden, sind ein Verrat an dem Auftrag, den Gott uns gegeben hat. Sie sind ein Verrat an dem, was Gott für uns Menschen und für unser Miteinander will. Diese Verbrechen spiegeln nicht das Wesen der Kirche wider, für die wir einstehen.“

So hat es Ralf Meister, Landesbischof der hannoverschen Landeskirche, vor wenigen Tagen in einem Brief an die Kirchenvorstände formuliert. Seit 15 Jahren gibt es in unserer Landeskirche eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema sexualisierter Gewalt. 2012 hat die Landeskirche darum eine unabhängige Kommission zur Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt eingerichtet, sowie eine Ansprechstelle für Betroffene. 2020 hat dann die EKD (Evangelische Kirche Deutschlands), der Zusammenschluss aller Landeskirchen, für 3,6 Millionen Euro eine unabhängige Untersuchung in Auftrag gegeben, um die Missbrauchsfälle aller Landeskirchen von 1945 bis heute zu untersuchen. Am 25. Januar 2024 wurden nun die Ergebnisse in der ForuM-Studie veröffentlicht. Und diese Ergebnisse sind erschreckend. (Einzelheiten zur Studie sind unter auf https://www.forum-studie.de zu finden.)

Als wir die Ergebnisse der Studie gelesen haben, waren wir schockiert. Wir waren beschämt, fassungslos und traurig über das, was in der evangelischen Kirche in den vergangenen Jahrzehnten geschehen ist. Diese Verbrechen spiegeln auch nicht das Wesen der Kirche wieder, für die wir hier in Meinersen einstehen. Und trotzdem fällt das, was Einzelne taten, auch auf uns zurück – auch wenn es im Kirchenkreis Gifhorn keine Fälle von sexualisiertem Missbrauch in der Kirche gab.

Der Vertrauensverlust tut weh. Und gleichzeitig können wir ihn verstehen. Denn Kirche sollte anders sein. Wir sollten einen Unterschied machen. Gottes Liebe sollte durch unser Leben spürbar werden (Joh 13,34). All das haben Einzelne durch ihre Verbrechen mit Füßen getreten. Und wir müssen nun daraus lernen, solche Situationen zukünftig zu verhindern.

Die Analysen zeigen, dass sexueller Missbrauch nicht nur ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, sondern auch in der Kirche. Darum arbeiten wir gerade intensiv an Schutzkonzepten zur Verhinderung sexualisierter Gewalt und führen Schulungen aller unserer Mitarbeiter durch. Denn unsere Räume sollen ein sicherer Ort für Kinder, Jugendliche und Menschen jeden Alters sein. Gerade die Arbeit mit Kinder und Jugendliche hat in unserer Kirchengemeinde schon seit vielen Jahrzehnten einen besonderen Stellenwert. Darum führen wir auch schon lange Schulungen für Mitarbeiter durch, die bei uns mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Und das wollen wir auch weiterhin tun, um für die uns anvertrauten Menschen Verantwortung zu übernehmen.

Was uns vereint, ist die Fassungslosigkeit über die Ergebnisse der EKD-Missbrauchsstudie. Worum wir euch bitten, ist euer Vertrauen – auch wenn das Vertrauen in „Kirche“ gerade geschwächt ist.

Betet für die Opfer und eine heilsame Aufarbeitung der Verbrechen, die an ihnen begangen wurden. Betet aber auch für die Kirchen, dass sie wieder zu vertrauenswürdigen Orten werden, die sich in ihrem ganzen Handeln an Gottes Willen und Liebe orientieren.

Eure Pastoren Julia & Oliver Flanz

 

 

Sylvia Pfannschmidt - Superintendentin unseres Kirchenkreises:

Liebe Gemeindeglieder,

wahrscheinlich sind Sie nach der Veröffentlichung der ForuM-Studie sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche genauso erschüttert wie ich. Die Ergebnisse der unabhängigen Forschungsgruppe sind für die evangelische Kirche beschämend. So sind seit 1946 allein in unserer hannoverschen Landeskirche 122 Beschuldigte, davon 63 Pastoren bekannt, nach Auskunft des Landeskirchenamtes in Hannover sind aus unserem Kirchenkreis Gifhorn bislang keine Fälle darunter.

Vielleicht sind Sie auch verärgert, dass nicht alle Personalakten bearbeitet werden konnten. Das geschah nicht aus Verschleierungstaktik, sondern aus Gründen von Überforderung. Was es nicht besser macht.

Doch egal welche Zahlen jetzt im Raume stehen, jede Zahl ist zu viel. Denn hinter jeder Zahl stehen Betroffene, die tiefes Leid und Verletzungen erfahren haben. Gerade im Raum der Kirche, die von Vertrauen und Beziehung lebt, erschüttert sexualisierte Gewalt umso mehr. Ich bedauere zutiefst, dass das Vertrauen von Kindern und jungen Menschen so dermaßen missbraucht wurde.

Wichtiger als die Zahlen ist die Ursachenforschung, die betrieben wurde: Warum konnte es zu sexualisierter Gewalt kommen? Was ist das spezifische im evangelischen Kontext?
Dafür ist die Studie hilfreich und sie wird die Kirchenleitungen und alle, die in Verantwortung stehen, auch in den Kirchengemeinden und im Kirchenkreis in den nächsten Monaten weiter beschäftigen. Eine gut lesbare Zusammenfassung der Ergebnisse und Empfehlungen der ForuM-Studie steht auf https://www.forum-studie.de zum Download zur Verfügung.

In der Kirchenkreissynode im Dezember haben wir das Schutzkonzept sexualisierte Gewalt beschlossen. Es wird zurzeit flächendeckend in den Kirchengemeinden und Einrichtungen umgesetzt. Mitarbeitende werden in Schulungen sensibilisiert, damit unsere Gemeinden und Einrichtungen sichere Orte sind und bleiben.

Wir müssen in unserer Kirche weiter an einer Kultur arbeiten, in der sexualisierte Gewalt keinen Raum bekommt und Betroffene ermutigt werden, Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Wenn Sie Fragen haben oder zu dem Thema sprechen wollen, stehen Ihnen das Pfarramt und die Superintendentin zur Verfügung, aber natürlich auch unabhängige Beratungsstellen wie die zentrale Anlaufstelle ‚help‘   . Das bundesweite „Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch“ ist unter Telefon 0800 2255530 oder auf https://www.hilfe-portal-missbrauch.de erreichbar; Kontakte der kirchlichen Stellen sind auf der Seite praevention.landeskirche-hannovers.de aufgeführt.

Ihre Superintendentin Sylvia Pfannschmidt